Denn mit Morden spielt man nicht - Granger, A: Denn mit Morden spielt man nicht - Mixing with murder by Granger Ann

Denn mit Morden spielt man nicht - Granger, A: Denn mit Morden spielt man nicht - Mixing with murder by Granger Ann

Autor:Granger, Ann [Granger, Ann]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Herausgeber: Lübbe
veröffentlicht: 2011-09-14T17:00:00+00:00


KAPITEL 8

Ich verbrachte eine schlaflose Nacht, in der mich Ivos leere, starrende Augen verfolgten und seine weiße, wächserne Haut. In meiner Erinnerung ließen die ersten Anzeichen von Totenstarre die Augäpfel hervortreten, und der Unterkiefer war zurückgezogen. Das Wasser schwappte in seine Nasenlöcher und den offenen Mund, und schwebende Schmutzteilchen und Algen dekorierten ihn wie ein groteskes Konfetti. Vielleicht zeichnete meine Fantasie das Bild noch viel greller, als es in Wirklichkeit gewesen war. Wie dem auch sein mochte, meine Gedanken wanderten in ein Dutzend verschiedener Richtungen, doch am Ende jeder Richtung stand Ivo. Ich fing an, ihn mir vorzustellen – nicht so, wie ich ihn zuletzt gesehen hatte, sondern wie er jetzt aussehen musste, lang ausgestreckt auf einem Untersuchungstisch aus kaltem Edelstahl, sauber in ein Kühlfach verfrachtet mit einem am großen Zeh befestigten Schildchen mit der Aufschrift »Nicht identifiziert«. Doch nein, vielleicht war auch das nicht richtig. Vielleicht war die Obduktion längst ausgeführt worden. Auch diese Vorstellung war ein Albtraum. Ich schob sie von mir.

Um den Bildern zu entkommen, die sich in der Dunkelheit bildeten, schaltete ich meine Nachttischlampe ein. Ich hatte mir kein Buch mitgenommen, und der einzige verfügbare Lesestoff war der Stapel von Touristeninformationen und eine alte Ausgabe von einem Frauenmagazin im unteren Fach des Nachttischs. Ich las einen Artikel über nahrhafte und preiswerte Mahlzeiten, doch das Titelbild zeigte einen großen toten Fisch, was mich erneut an Ivo denken ließ. Ich versuchte die Modeseiten und die Schönheitstipps und selbst die Spalte »Diesen Monat in Ihrem Garten«. Ich las die Kurzgeschichte und vervollständigte das Kreuzworträtsel. Ich studierte die Leserbriefe. Nahezu alle stammten von Frauen aus unglücklichen Beziehungen. »Warum schießt ihr den Kerl nicht einfach auf den Mond?«, wollte ich den Schreiberinnen zurufen. Doch dazu waren sie nicht im Stande – anstatt sich einer neuen Situation zu stellen, klammerten sie sich lieber an die unvollkommene, in der sie lebten. Ich dachte, so unvorhersehbar und improvisiert mein Leben auch sein mochte, es war mir lieber als ein betäubender Alltag und Beziehungen, die zum Scheitern verurteilt waren. Die Briefkastentante antwortete in vorhersehbarer Weise mit Ratschlägen, die sich nicht verwirklichen ließen. »Warum sprechen Sie nicht mit ihm darüber?« Weil der Mistkerl ein verdammter Lügner ist und ein Hochstapler, darum.

Heute war ich nicht so sicher, dass diese traurigen Leben schlimmer waren als mein eigenes. Sie wussten wenigstens im Herzen, wie das Ende ihrer Probleme aussah. Er würde sie verlassen, entweder mit einer neuen Liebe, oder er würde zurückkehren zu seiner Frau, falls er eine hatte. So einfach war die Lösung für meine Probleme bei weitem nicht.

Genauso, wie Ivo nicht aus meinem Kopf weichen wollte, tauchte eine neue Frage auf und hielt sich hartnäckig in meinen Gedanken. Was würde Jasna tun, wenn sie von seinem Tod erfuhr? Hatten die beiden nur ihr Exil gemeinsam gehabt oder mehr? Was war mit Ivos Familie daheim in Kroatien, vorausgesetzt, das war seine Heimat? Vielleicht hatte er eine liebe, grauaarige alte Mutter und einen würdevollen Vater, die abhängig waren von dem Geld, das er nach Hause schickte



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